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Herbert Feuerstein

(Aus: Westdeutsche Zeitung vom 25.04.1992)

 

Zwanzig Jahre bei
"Mad" - und völlig
normal geblieben


Herbert Feuerstein - Meister des
tieferen Flachsinns
Von unserem Mitarbeiter Wolfram Lotze

Kein Zweifel: Der Mann ist gefragt. In Zeiten, wo sich andere seelisch-moralisch schon aufs geruhsame Pensionär-Dasein vorbereiten, startet der kleine Herbert Feuerstein mit der großen Brille erst richtig durch. Wirft seinen Job als Chefredakteur des Wahnsinnsblattes "Mad" hin, stürzt sich in den Hörfunk, geht zum Fernsehen. Und wirbelt, ohne Rücksicht auf guten Geschmack und noch bessere Gags, mit seinem Partner Harald Schmidt regelmäßig das sonntägliche Abendpro- gramm durch: Schmidteinander.

Juxt und blödelt

Solchermaßen zu Ruhm und Ansehen gelangt, sieht sich der quirlige Mittfünfziger plötzlich in der "live" -Talkshow des ZDF wieder, blödelt bei "Zak" im Dritten, juxt in Karl Dalls Sat 1 Klamotte herum. Und, und, und. Der gleichfalls amüsierte wie besorgte Zuschauer macht sich ob dieser Umtriebigkeit Gedanken. Alters-Wahnsinn ? Geistige Inkontinenz ? Nichts von alledem ist wahr..Herbert Feuerstein, fanatischer Nicht- raucher und Meister des tieferen Flachsinns, gibt sich abgeklärt: "Ich suche keine Karriere mehr. Ich will meinen Spaß!" Den hat er. Und das, obwohl sein Leben nicht immer gerade spaßig verlief. Und manche Frage aufwirft. Etwa die: Welche Geistesverfassung besitzt ein Mann, der mehr als 20 Jahre "Mad" geleitet und in dieser Zeit über 5O Millionen (!) Hefte und nochmal fünf Millionen "Mad" -Taschenbücher unter's Volk gestreut hat? Die Antwort lautet, ebenso überraschend wie banal. Der Mann ist völlig normal. Trotz oder wegen seiner bisweilen skurrilen Biographie. Auch wenn's ihm niemand abnimmt - aber Feuerstein beteuert: "Ich habe nie eine Zeile selbst geschrieben." Wohl aber redigiert, adaptiert, übersetzt. Und dafür gesorgt, daß sämtliche Texte - zum Team gehörten jeweils zwischen fünf und zwölf Leuten - durch den sprachlichen "Mad" -Fleischwolf gedreht wurden. Feuerstein bescheiden: "Ich habe versucht, aus allem etwas Lesbares zu machen. So hält man sich den Wahnsinn vom Leib." Gleichwohl hält er sich zugute, die typische Lautschrift (,,lechz", "ächz", "stöhn") geprägt und salonfähig gemacht zu haben. Indes: "Mad war nie mein Anliegen", betont Feuerstein. Er habe nur versucht, "den Virus der Verarschung in die Köpfe junger Menschen zu pflanzen." Was ihm, so scheint's, gelungen ist. Bis jetzt. Denn die rigorose Ausrichtung des Satireblatts auf eine demografisch rückläufige Zielgruppe (Teenies), der konsequente Verzicht auf Werbung und die zunehmend schlechtere Qualität des US-Vorbildes machten Feuerstein die Entscheidung, nach 20 Jahren Abschied vom Satireblatt zu nehmen, leichter. Schluß also mit dem "Prinzip der totalen Selbstverarschung".

Mitleidseffekt

Und jetzt? Jetzt konzentriert sich die wandelnde Hornbrille, die im Hessischen lebt und den Rest des Jahres in Kenia verbringt, verstärkt aufs Fernsehen, vor allem auf die Zusammenarbeit mit Harald Schmidt. "Unser Verhältnis", so "Schmidteinander" -Chefautor Feuerstein, "ist von Haß und Gnadenlosigkeit geprägt." Eine Mischung, die ankommt. Zumal Feuerstein vom Mitleidseffekt, in den er durch seine Beistelltisch-Existenz gedrängt ist, gut leben kann. Am 16. August beginnt die nächste "Schmidteinander"- Staffel, und im nächsten Jahr soll der ganz alltägliche Wahnsinn gar wöchentlich über den Sender gehen. Sind da Verschleißerscheinungen nicht vor programmiert? Feuerstein winkt energisch ab: "Ab jetzt", sagt er, rückt vergnügt seine Brille zurecht, "wird's noch doller." Was man dem Mann ohne weiteres abnimmt.


Persönliches

Kurzbiographie: Geboren in Zell am See (Österreich) als Sohn eines Lawinenschnur-Herstellers, Mutter unbekannt, da sie fünf Tage vor Feuersteins Geburt mit ihrem damaligen Liebhaber, dem bis heute unvergessenen Lippizanerhengst Hugo, spurlos verschwand. Wollte in Salzburg aufwachsen, wurde aber nur 1,64 Meter. Träger eines großen musikalischen Erbes (Feuersteins Vorfahre war Mozarts Nachbar und gewann gegen ihn 1776 einen Prozeß wegen Lärmbelästigung) und Musikstudium im Salzburger Mozarteum (vom Dezember 1956 bis weit in den Januar 1957). 1958 bis 1968: Aufenthalt in New York. Wollte vom Tellerwäscher zum Millionär werden, scheiterte jedoch am Tellerwäscher-Examen. Wollte nach seiner Rückkehr in die 68er-Bewegung aufgenommen werden, war aber vier Zentimeter zu klein. Trotzdem Mitunterzeichner des Manifestes von Rödelheim: "Schluß mit dem Mundgeruch!" 1968 bis 1975: Pubertät mit anschließender Scheinschwangerschaft, bei der er sich - trotz Drucks der Behörden - gegen die Abtreibung entschied. Ist seither als Autor tätig, seit seiner Scheidung 1989 als freier Autor. Hobby: Notieren auswärtiger Autonummern vom Balkonfenster aus. Vorbild: Herr Ziegler, sein Hausmeister. (Quelle: H. Steuerfein: "Wer ist wer in der Insektenforschung?", Jg. 1991)


Stationen des Wahnsinns

Herbert Feuerstein wurde 1937 im österreichischen Zell am See geboren - zu Füßen des Großglockners. Was sich aber - wie's Leben halt so spielt - nicht gerade förderlich auf die Körpergröße ausgewirkt hat. Mit einem Bahnhofsvorsteher als Vater werden schon früh die Weichen für die Zukunft gestellt: Die Familie siedelt nach Salzburg über. Dort begibt sich Feuerstein sofort in die Fußstapfen Mozarts. Am Mozarteum studiert er Klavier, danach Cembalo. Kurze Zeit später fliegt der Gelegenheitsjournalist aus der Musikantenschmiede. Weil er - wenn auch unter Pseudonym - einen geharnischten Verriß über die Aufführung eines Kollegen geschrieben hat Nach diesem Erfolg wechselt Feuerstein ganz ins Journalistenfach, verdingt sich als Musikredakteur beim Wiener Boulevardblatt "Express". 1959 geht er nach New York - wegen der "Weibergeschichten" , wie der Mann mit der Hornbrille resümiert. Seine damalige Freundin stammt aus Hawaii. Und New York liegt, wie praktisch, genau im Mittelpunkt zwischen den beiden Schwiegereltern. Der Wechsel erweist sich zunächst als problematisch. Erst als Feuerstein einen Job bei der "New Yorker Staatszeitung und Herold" bekommt, geht's langsam aufwärts. In dem Blatt, das in deutscher Sprache erscheint und sich primär an Immigranten richtet, beginnt Feuerstein als Nachrufredakteur. Will heißen: Jeder halbwegs berühmte Mensch deutschen Zungenschlags, der in New York und Umgebung das Zeitliche segnet, wird redaktionell wiederaufbereitet. Nicht ganz ohne Hintersinn: Die Hinterbliebenen in aller Welt erhalten Belegeexemplare - in der Hoffnung, daß sie daraufhin die "Staatszeitung" abonnieren. Nebenbei baut er sich eine zweite Karriere auf - als Mitarbeiter der österreichischen Botschaft. Die Österreicher machen dem inzwischen zum Chefredakteur avancierten Feuerstein das Angebot, den Rest seines Lebens als Presseattache zu verbringen. Feuerstein wird weich, verdingt sich dem Staat. Und wirft nach einem Tag erst den Beamtenstatus, später den Job des Chefredakteurs hin: "Keine Perspektive." Eines hat die Zeit als Österreicher vom Dienst aber doch gebracht: "Was ich in der Botschaft erlebt habe, sprengt alle Vorstellungen. Deshalb ging ich in die Satire". Nach mehreren Jahren Hörfunk, Korrespondenten-Tätigkeit für deutsche und österreichische Medien, Zusammenarbeit mit Tomi Ungerer, Kontakten zu "Pardon", Wechsel nach Deutschland und Rückkehr in die USA wird Feuerstein 1969 doch in der Bundesrepublik seßhaft. Er steigt - anfangs mit Lutz Reinecke - bei "Mad" Nummer 33 ein. Das Heft erscheint im Dezember 1971. Und begründet eine Odyssee, die erst im April dieses Jahres, mit "Mad" Nummer 276 endet.

 

Feuerstein bei "Pssst..." (WDR, 1989-1995)


Feuerstein bei "Zimmer frei" (WDR, 14.08.1996)



 

Autogramm MAD-Red. Herbert Feuerstein


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